Chartogne-Taillet

Ein Artikel von Britta Wiegelmann auf tastemagazin.ch:

Getroffen: Alexandre Chartogne, Champagner-Überflieger
 

Mitten im Land der Markenchampagner zieht Alexandre Chartogne sein Ding durch. Der 33-Jährige Ausnahmewinzer über den Geschmack von Fischskeletten, fatale Irrtümer bezüglich Schwefel und seine illegale Parzelle.

Alexandre Chartogne, 33, ist zugleich Shooting Star und alter Hase. Vor elf Jahren übernahm er den Winzerbetrieb seiner Eltern in Merfy im Gebiet Montagne de Reims. Gelernt hat er beim aufrührerischen Anselme Selosse, dem Urvater der Winzerchampagner-Bewegung. Heute sind Alexandres Weine rund um die Welt ein (Fast-nicht-mehr-)Geheimtipp. Zu Recht: Seine naturnah erzeugten Tropfen überholen viele grosse Namen auf der linken Spur, Staubwölkchen inklusive. Achtung, «easy drinking» ist das nicht. Oder nicht unbedingt. Alexandre sagt selber: «Meine Weine sind nicht da, um Sie glücklich oder unglücklich zu machen. Sie sind da, um von ihrer Herkunft zu erzählen.» Dafür macht er sich einige Arbeit. So bestellt er die Rebberge per Pferd, um den Boden nicht zu verdichten, (Randbemerkung: Am Wochenende leiht er seine Rösser an Roederer), und benutzt keinerlei synthetische Pflanzenschutzmittel. Auf elf Hektar Rebfläche erzeugt er je nach Jahrgang sechs bis zehn verschiedene Weine. Heraus kommen, schlicht und einfach: Unikate. Jeder Wein und jeder Jahrgang ist anders. Doch sie alle sprechen zu dem, der sich auf sie einlässt.

Alexandre Chartogne ist ein jungenhafter Typ, ruhig, kompetent, reflektiert und mit viel Schalk im Nacken. Leicht ungekämmt und im Wollpulli steht er vor seinem Publikum, eine Bierflasche in der Hand. Irgendwie beeindrucken seine Weine dadurch noch mehr. Da steht einer, der nicht so tut, als ob. Eindrücke von einer ebenso amüsanten wie tiefgründigen Präsentation.

Alexandre Chartogne über 

...den Geschmack von Champagner:
«Das wichtigste Element im Geschmack von Champagner sind die Salze. Einst lag die Champagne unter dem Meer. Als das Meer verschwand, kristallisierten die Fischskelette und wurden zu Kalk. Und genau danach muss ein Champagner schmecken: nach dem Kalk, auf dem er wächst, und nach dem Salz des Meeres.»

...die Textur des Weines: «Beschreiben Sie einen Wein nicht nach seinen Aromen. Eine Frucht schmeckt für jeden Menschen anders. Aber das Vokabular des Fühlens, der Empfindung im Mund, ist universell: Seidig, rau, kalt, warm – darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Am besten ist es, man kaut den Wein regelrecht. Mit gutem Grund benutzten die Mönche früher den Tastevin, um Wein zu verkosten. Die breite, flache Form dieses Gefässes zwingt dazu, beim Trinken Luft einzusaugen. So nimmt man die Textur des Weines war.»

...Spontangärung: «Die erste Gärung lasse ich spontan geschehen. Ich habe sogar Proben aus meinen verschiedenen Parzellen genommen, um herauszufinden, ob sich die Hefen unterscheiden. Grösstenteils tun sie das, darum gerät jeder Wein so individuell. Für die zweite Gärung hingegen arbeite ich mit möglichst neutralen Reinzuchthefen. Mit Wildhefen hätte ich das Risiko, mir die ganze Qualität zu vermasseln, für die ich vorher so hart gearbeitet habe. Im Moment gehe ich darum auf Nummer sicher.»

...Holzfässer: «Traditionell werden Champagner-Grundweine im Holzfass ausgebaut. Das hat seinen Zweck. Jeder Wein hat zwei Komponenten: den organischen Anteil, also die Traube, und den mineralischen Anteil, den Boden. Sauerstoff hilft dem Wein, über den simplen Rebsortencharakter herauszuwachsen und seine Herkunft zu zeigen. Edelstahl hält den Sauerstoff draussen. Holz lässt ihn an den Wein.»

...Schwefel: «Glauben Sie mir, wir Franzosen sind viel zu faul, um etwas Überflüssiges zu erfinden! Wenn wir das Schwefeln erfunden haben, dann weil der Wein es braucht. Ich persönlich versuche, so wenig Schwefel wie nötig zu verwenden. Doch es kommt auch auf die Herkunft der Trauben an. Vor kurzem probierte ich einen Burgunder, der ohne jeden Schwefelzusatz erzeugt worden war. Er schmeckte fantastisch, absolut jugendlich. Dann erzählte mir der Winzer, die Reben wüchsen auf Gneisböden. Gneis enthält auf natürliche Weise Schwefel. Vielleicht war der Wein deshalb so haltbar? Andere Weine hingegen brauchen zusätzlichen Schutz. Ich hoffe, niemand von Ihnen beurteilt einen Wein danach, ob ihm Schwefel zugesetzt wurde oder nicht.»

...Experimente: «Klar, man kann eine Menge ausprobieren. Beim Ausbau der Weine zum Beispiel: Ich habe mit Edelstahl experimentiert, mit Betoneiern, mit Amphoren. Und nach zehn Jahren kam ich wieder zurück zum Holz. Manchmal ist es gut, auf die Vergangenheit zu hören. Jede neue Generation möchte wieder alles anders machen. Das wird auch in 300 Jahren noch so sein. Doch am Ende stellt man fest, dass Tradition auch etwas Gutes hat.»

...Dosage: «Eine Zeitlang gab es einen Trend zu Zéro Dosage. Das ändert sich jetzt langsam wieder. Aus zwei Gründen: Die Champagner-Perlage ist aggressiv am Gaumen; etwas Dosage mildert diesen Eindruck. Und sie lässt den Wein besser altern. Zucker ist ein noch besseres Antioxydans als Schwefel. Ein bisschen Dosage tut dem Wein gut.»

...seine verbotene Parzelle: « Früher standen in der Champagne 30’000 Stöcke pro Hektar. Sie ergaben einen Ertrag von 4000 Kilo. Heute sind es 10’000 Stöcke pro Hektar, doch der Ertrag beträgt 10’000 Kilo oder mehr. Ich glaube, je niedriger der Ertrag ist, desto mehr kann die Pflanze die Informationen des Bodens an die Trauben weitergeben. Ich wollte den Unterschied selber erleben und habe eine Parzelle mit 35’000 Stöcken bepflanzt – wurzelecht wohlgemerkt. Das alles ist laut Reglement verboten. Also stellte ich einen Antrag. Ich bekam keine Antwort. In Frankreich sagen wir: Keine Antwort ist ein Ja – ausser bei Frauen natürlich. Ich habe also die Reben in die Erde gesetzt. Doch mit der modernen Satellitentechnik fällt so etwas leider auf. Jetzt muss ich die Stöcke wieder ausreissen. Wenn ich damit fertig bin, werde ich wieder einen Antrag stellen. Und diesmal bin ich hartnäckiger.»

...die beste Art, Champagner zu servieren: «Ich habe zwei Empfehlungen. Erstens: Öffnen Sie die Flasche 20 Minuten vorher. Champagner ist ein Wein, er braucht Luft. Zweitens: Champagner auf Eis sieht schick aus, aber für den Wein ist das zu kalt. Versuchen sie, so wenig Eis wie möglich zu gebrauchen.»

 

Champagnerhaus: Chartogne Taillet

Menschen/Inhaber: Familie Chartogne

Region/Ort: Champagne, Merfy

Betriebsgröße: 11 Hektar


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